Sonntag, 31. Dezember 2017

Venedig in Amazonien

31.12. in Afua

Eine der größten Flußinseln der Welt, die Ilha de Marajó, liegt im Mündungsdelta des Amazonas im brasilianischen Bundesstaat Pará. Die Gemeinde Afuá mit etwa 35.000 Einwohnern liegt im Norden der Insel, und dort liegen wir heute auf Reede und haben freien Landgang.

Afuá ist einer der 12 Bezirke auf der Ilha de Marajó, die mit 40.000 qm2 größer als die Schweiz ist.  Manche sagen, sie sei keine reine Flussinsel, weil auf der einen Seite Kontakt zum Meer besteht und sie letztendlich im Mündungsbereich zweier Flüsse liegt. Ist mir egal. Sehr groß ist sie auf jeden Fall, sogar etwas größer als Taiwan.
Bewohner der Insel sind Nachfahren der Nheengaíba- Indianer, die 1659 zum christlichen Glauben gezwungen wurden und sich später mit afrikanischen Sklaven und portugiesischen Eroberern mischten. Noch heute 79% Katholiken.

Man soll noch Spuren ihrer präkolumbischen Marajoara- Kultur in neueren Keramiken finden, einer 3000 Jahre alte Hochkultur.  Ein anderer Stamm, die Aruã, waren geschickte Töpfer, stammen von den westindischen Inseln, von wo sie von den Kariben vertrieben worden waren.

Die auf der Insel wurden Wasserbüffel domestiziert, die bekommt man in der Stadt natürlich nicht zu sehen. 



 31.12.17

Wir befinden uns jetzt in der Flussmündung des Amazonas und haben Gelegenheit, die Ilha de Marajó in der Gemeinde Afuá betreten, das auch Venedig von Marajó genannt wird.
Ziemlich früh am Morgen nähern wir uns der Stadt Ziel.



Zunächst einmal müssen wir mit dem Tenderboot ans Land kommen. Dann klettert und kriecht man über ein größeres Holzboot. Ob man nach oben oder unten muss, hängt vom Wasserstand ab.
Das Boot ist ein typischer kleiner Amazonasdampfer, auf dem man es sich auf dem Deck in einer Hängematte gemütlich machen darf.



In einiger Entfernung ist unser Schiff in Sicht. 



Auf den Strassen ist viel los. Nur Fußgänger und Radfahrer sind unterwegs.




Die kleine Kirche strahlt trotz des bewölkten Himmels und ist sogar geöffnet.



Jetzt geht es um die Kurve, und da ist der Bär los.
Die Straßen, überwiegend Bretterstege, sind bis auf ein paar Löcher an unerwarteter Stelle eigentlich ganz in Ordnung. Es herrscht ein unheimliches Gewusele von Menschen und Rädern. Geräuschlos kommen sie in Scharen von allen Seiten und gleiten fast lautlos aneinander vorbei. 
Kein Geschrei, Geklingel oder etwa Zusammenstöße.
Heute ist der letzte Tag im Jahr, und jeder hat noch etwas zu besorgen.
Geklingelt wird nicht, weil kein einziges Fahrrad mit einer Klingel ausgestattet ist. Autos sind hier verboten.

Auf einem kleinen Fischmarkt (rechts) werden einige, für mich exotische Exemplare verkauft.







Auf den Straßen wird Obst verkauft, auch Schwein, Fisch und Zuckerwatte sind im Angebot.





Bei den Booten ist ständig Bewegung. Die einen bringen ihren Einkauf nach Hause, die anderen räumen noch hin und her. Derweil badet der Opa sein Enkelkind.






 


Längs der Stege gibt es kleine Geschäfte, die hauptsächlich Dinge für den täglichen Bedarf anbieten.









Bunte Zuckerwatte erfreut noch vielerorts die Kinder.


Einen Miniaturflughafen gibt es auch. Gleich daneben liegt der Friedhof, direkt beim Fluß. 



Der endlos lange Steg führt in ein Wohngebiet. Auch hier lebt man überwiegend auf Stelzen und zwischen Stegen.



Wenn ich zurück schaue, kann ich in der Ferne "mein Schiff" entdecken. Wie beruhigend.


Aber nun habe ich die Wohngegend endlich erreicht. Mit einem Fahrrad wäre ich schneller vorangekommen.  Die Atmosphäre ist richtig entspannend. Nichts mehr ist zu spüren von der Hektik bei den Geschäften. 









Er oben wäscht sich noch fix die Haare im Kanal, während sein Nachbar sich lieber zum Friseur setzt.



Die Kinder springen am letzten Tag des Jahres noch ein bißchen im Wasser herum.



Mama stürmt nach Hause, während die Wäsche im Wind flattert.



Vögel werden offenbar gehegt wie in China und dürfen ein wenig Freizeit im Baum verbringen. Der Nachbarvogel muß von der Tür aus neidisch zusehen.





Auf dem Rückweg ist es schon richtig ruhig geworden im Ort. Es ist ja nicht nur Sylvester, sondern auch Sonntag.









Der Zugang zum Boot ist jetzt auf einer anderen Ebene. Sehr zum Vergnügen der Kinder, die in ein Netz klettern, was sie zwischen Schiff und Ufer gespannt haben. Dort schaukeln sie lachend im Wasser.
Ich werde jetzt erst einmal eine Mittagspause machen. Falls ich mich dann erholt habe, werde ich noch einmal losziehen.

Kühltruhe fährt Fahrrad - Sylvester im Eimer

31.12.    nachmittags in Afua
Nach dem Mittagessen nehme ich noch einmal das Tenderboot und mache alleine eine große Runde durch die Wohnbezirke in einem anderen Ortsteil von Afua.

Beim Aussteigen aus dem Boot muss ich halb kriechend durch eine Luke an Land gehen. Am Vormittag musste man eine abenteuerliche Leiter hochklettern, und jetzt versetzen sie die Leiter schon wieder. Der Wasserstand schwankt so stark, dass es ständig neue Überraschungen gibt. Am großen Platz des Ortes ist heute viel los. Die Vorbereitungen für die lange Nacht laufen. 
Während die zwei Kinder den Booten zusehen,



kühlen sich die anderen im Flusswasser ab.


Am Wasser entlang wird Holz gelagert, ob legal oder illegal geschlagen, steht natürlich nicht dran. 


Ein Rettungsboot steht immerhin bereit, obwohl weit und breit kein Mensch zu sehen ist. Um die Ecke dümpeln ein paar Boote im Wasser oder rotten im vermüllten Schlamm vor sich hin.



Da biege ich doch lieber in die vielen kleinen nett aussehenden Strassen ein. Schließlich bin ich ja im Venedig Amazoniens.





Viele Holzhäuser, die alle auf Stelzen stehen, werden zum Kauf angeboten. Nicht alle sind gut gepflegt, aber einige Besitzer haben regelrechte Schmuckstücke daraus gemacht. 















Mindestens ein Madonnenplakat hängt an fast jedem Haus, häufig sind es gleich mehrere.



Die Fahrräder düsen noch immer über die Stege. Einige haben aufgerüstet und eine ganze Batterie von Lautsprechern geladen, aus denen die Musik dröhnt. Hauptsache laut! 





Insgesamt ist auf den Wegen aber kaum etwas los. Keine Ahnung, wo die Bewohner sich aufhalten. Nur ein paar wenige Leute sitzen vor ihren Häusern und winken mir zu.



Freunde, Ehefrauen, die Nachbarin, Kühltruhen und viele Kinder werden auf Rädern transportiert. 



Bei Kindern ist vor allem das Stehen auf dem Gepäckträger angesagt. Meistens ein Kind, aber zwei passen auch.



Der Umgang mit Kindern ist recht friedlich, wie überhaupt die ganze Stimmung hier. Sie werden sehr viel von Vätern beaufsichtigt und liebevoll umsorgt. Jedenfalls da, wo ich es sehen kann.


Es ist gleich 17.30 Uhr. Ich bin wieder am Hauptplatz angelangt. Bald geht die Sonne unter. 
Am Flußufer schmücken die Einwohner fleißig für die große Sylvesterparty.


Ich glaube, für heute reicht es mir.
Schließlich ist ja Sylvester und mal schauen, was an Bord so alles geboten wird.



Für die Jungs ist so ein großes Passagierschiff immer ein Ereignis. Sie beobachten die Seeleute gut, und in der Nacht träumt bestimmt einer davon, dass er einmal al Kapitän zur See fährt...



Ich durchquere zum letzten Mal die Alfonso. Dort hat sich das Deck schon gefüllt.





Das Tenderboot gibt Gas. Afua hat mir gut gefallen.



Jetzt heißt das Motto: Sich in Schale werfen für den Jahreswechsel!



Das Abendessen ist gut, aber als Highlight kann man es nicht bezeichnen. Die Polonaise der Kellner mit den mit Wunderkerzen bestückten Eisbomben muss man mögen, um sich daran zu erfreuen. Die einen klatschen mit hochgerissenen Armen jubelnd mit, die anderen sind froh, wenn es vorbei ist. Warum 2 Kellner minutenlang mit der Plantoursfahne herumtanzen müssen, könnte wohl nur der Choreograph sagen.
Nach dem Essen geht es in die Lounge zum Feiern. Keine Ahnung, warum es nicht draußen stattfindet. Das Wetter hätte mitgespielt. 
Die Erwartungen sind hoch. DIe Stimmung gut. Die Band, die hier wohl schon zum Mobiliar gehört, spielt Musik, über die sich nicht alle freuen. 


Viele der Generation ab 75 aufwärts sind positiv gestimmt, andere -Jüngere und Ältere- hätten sich auch einmal fetzigere Rhythmen gewünscht.


Irgendwann gehe ich mit einigen anderen nach oben, d. h. nach draußen, weil wir es nicht mehr aushalten.
Die Luft ist nicht gut, man braucht einen Fächer, aber der bringt nicht viel, führt einem gelegentlich die Luft aus der Raucherbar zu. Die Lounge hat sich zu dem Zeitpunkt schon sichtbar geleert.

Alleine sind wir draußen nicht, ich habe nicht gezählt, aber ich denke, dass wir vielleicht 50 oder mehr Leute waren.
Es gibt es keinerlei Musik, ich habe keine Luftschlange oder sonstige Deko in Erinnerung. Der  Lautsprecher bleiben stumm. Zum Glück haben wir Uhren.  Die Kellner stellen  jedem vor Mitternacht ein Glas Sekt hin. Immerhin...

Unser Tisch zählt dann laut die letzten Sekunden und wünscht genauso laut ein Gutes Neues Jahr. 

Vielleicht hätte jemand einen Kassettenrekorder mit auf die Reise nehmen und brasilianische oder karibische Musik abspielen sollen. Ein Tipp für die nächste Tour, allerdings ohne mich.

In der Lounge soll es nicht viel spannender zugegangen sein. Halb leer sei sie schon gewesen, als sich ein paar Minuten nach Mitternacht die Mannschaft in ihren weißen Uniformen aufgereiht hätten. Dann hätten sie (nachträglich) von 10 bis 0 gezählt. So haben es mehrere Leute berichtet.

Damit war auch dieser Zauber vorbei.
Vor 2 Jahren war ich auf der Albatros zu Sylvester. Da ging richtig die Post ab, und an die Super- Stimmung denke ich noch heute gerne zurück. Und auch das Buffet, was draußen aufgebaut war, werde ich nie vergessen. Das Schiff war toll geschmückt, es gab Superessen und Supermusik. Keine Ahnung, was das hier sein sollte.
Eigentlich hätte ich mal ein Foto machen müssen von der dämmrigen Zusammenkunft an Deck. Vor lauter Verwirrung über diese Sylvesterveranstaltung habe ich das glatt vergessen. 
Wieviele Leute und mit welcher Begeisterung sich dann noch im oberen Restaurant zum "Silvester-Mitternachts-Buffet" eingefunden haben , weiß ich nicht.
Trotzdem und gerade erst recht:
                             
                                    Prost Neujahr!!!



anders, aber auch nicht schlecht

Februar 2018   -   eine Woche später                         Auch Hannover hat seine Reize!