Eine der größten Flußinseln der Welt, die Ilha de Marajó, liegt im Mündungsdelta des Amazonas im brasilianischen Bundesstaat Pará. Die Gemeinde Afuá mit etwa 35.000 Einwohnern liegt im Norden der Insel, und dort liegen wir heute auf Reede und haben freien Landgang.
Afuá ist einer der 12 Bezirke auf der Ilha de Marajó, die mit 40.000 qm2 größer als die Schweiz ist. Manche sagen, sie sei keine reine Flussinsel, weil auf der einen Seite Kontakt zum Meer besteht und sie letztendlich im Mündungsbereich zweier Flüsse liegt. Ist mir egal. Sehr groß ist sie auf jeden Fall, sogar etwas größer als Taiwan.
Bewohner der Insel sind Nachfahren der Nheengaíba- Indianer, die 1659 zum christlichen Glauben gezwungen wurden und sich später mit afrikanischen Sklaven und portugiesischen Eroberern mischten. Noch heute 79% Katholiken.
Man soll noch Spuren ihrer präkolumbischen Marajoara- Kultur in neueren Keramiken finden, einer 3000 Jahre alte Hochkultur. Ein anderer Stamm, die Aruã, waren geschickte Töpfer, stammen von den westindischen Inseln, von wo sie von den Kariben vertrieben worden waren.
Die auf der Insel wurden Wasserbüffel domestiziert, die bekommt man in der Stadt natürlich nicht zu sehen.
Wir befinden uns jetzt in der Flussmündung des Amazonas und haben Gelegenheit, die Ilha de Marajó in der Gemeinde Afuá betreten, das auch Venedig von Marajó genannt wird.
Ziemlich früh am Morgen nähern wir uns der Stadt Ziel.
Zunächst einmal müssen wir mit dem Tenderboot ans Land kommen. Dann klettert und kriecht man über ein größeres Holzboot. Ob man nach oben oder unten muss, hängt vom Wasserstand ab.
Das Boot ist ein typischer kleiner Amazonasdampfer, auf dem man es sich auf dem Deck in einer Hängematte gemütlich machen darf.
In einiger Entfernung ist unser Schiff in Sicht.
Auf den Strassen ist viel los. Nur Fußgänger und Radfahrer sind unterwegs.
Die kleine Kirche strahlt trotz des bewölkten Himmels und ist sogar geöffnet.
Jetzt geht es um die Kurve, und da ist der Bär los.
Die Straßen, überwiegend Bretterstege, sind bis auf ein paar Löcher an unerwarteter Stelle eigentlich ganz in Ordnung. Es herrscht ein unheimliches Gewusele von Menschen und Rädern. Geräuschlos kommen sie in Scharen von allen Seiten und gleiten fast lautlos aneinander vorbei.
Kein Geschrei, Geklingel oder etwa Zusammenstöße.
Heute ist der letzte Tag im Jahr, und jeder hat noch etwas zu besorgen.
Geklingelt wird nicht, weil kein einziges Fahrrad mit einer Klingel ausgestattet ist. Autos sind hier verboten.
Auf den Straßen wird Obst verkauft, auch Schwein, Fisch und Zuckerwatte sind im Angebot.
Bei den Booten ist ständig Bewegung. Die einen bringen ihren Einkauf nach Hause, die anderen räumen noch hin und her. Derweil badet der Opa sein Enkelkind.
Längs der Stege gibt es kleine Geschäfte, die hauptsächlich Dinge für den täglichen Bedarf anbieten.
Bunte Zuckerwatte erfreut noch vielerorts die Kinder.
Einen Miniaturflughafen gibt es auch. Gleich daneben liegt der Friedhof, direkt beim Fluß.
Der endlos lange Steg führt in ein Wohngebiet. Auch hier lebt man überwiegend auf Stelzen und zwischen Stegen.
Wenn ich zurück schaue, kann ich in der Ferne "mein Schiff" entdecken. Wie beruhigend.
Aber nun habe ich die Wohngegend endlich erreicht. Mit einem Fahrrad wäre ich schneller vorangekommen. Die Atmosphäre ist richtig entspannend. Nichts mehr ist zu spüren von der Hektik bei den Geschäften.
Er oben wäscht sich noch fix die Haare im Kanal, während sein Nachbar sich lieber zum Friseur setzt.
Die Kinder springen am letzten Tag des Jahres noch ein bißchen im Wasser herum.
Mama stürmt nach Hause, während die Wäsche im Wind flattert.
Vögel werden offenbar gehegt wie in China und dürfen ein wenig Freizeit im Baum verbringen. Der Nachbarvogel muß von der Tür aus neidisch zusehen.
Auf dem Rückweg ist es schon richtig ruhig geworden im Ort. Es ist ja nicht nur Sylvester, sondern auch Sonntag.
Der Zugang zum Boot ist jetzt auf einer anderen Ebene. Sehr zum Vergnügen der Kinder, die in ein Netz klettern, was sie zwischen Schiff und Ufer gespannt haben. Dort schaukeln sie lachend im Wasser.
Ich werde jetzt erst einmal eine Mittagspause machen. Falls ich mich dann erholt habe, werde ich noch einmal losziehen.